"Eine Pflegeausbildung lohnt sich immer!" Interview mit der Pflegepädagogin der Ökumenischen Sozialstation Ludwigshafen am Rhein, Fr. Jennifer Schmitt

18.03.2021

"Eine Pflegeausbildung lohnt sich immer!"
Interview mit Fr. Jennifer Schmitt, Pflegepädagogin bei der Ökumenischen Sozialstation Ludwigshafen am Rhein

Hallo Jennifer, warum hast Du Dich für die Pflege entschieden?

Nach der Schule hatte ich noch nicht wirklich eine Idee, was ich einmal machen will. Ich wollte auf jeden Fall nicht den ganzen Tag in einem Büro sitzen, sondern auch körperlich etwas machen und mit Menschen arbeiten, etwas Gutes tun und helfen. Über ein Freiwilliges Soziales Jahr habe ich dann eine Stelle in einem Altenheim gefunden. In dieser Zeit wurde mir klar, dass ich eine Ausbildung als Pflegefachkraft in einem Krankenhaus machen möchte. Während dieser Zeit kam schnell der Wunsch auf, mich nach der Ausbildung noch weiter zu qualifizieren. So entschied ich mich für das Pflegepädagogikstudium. Seit 2019 arbeite ich nun als Pflegepädagogin bei der Ökumenischen Sozialstation Ludwigshafen am Rhein.


Eine Tätigkeit als Pflegepädagogin in einem ambulanten Pflegedienst, das ist ungewöhnlich. Normalerweise trifft man Pflegepädagogen eher in Pflegeschulen an. Wie kam es zu dieser Stelle?

Als ich nach meinem Pflegepädagogik-Studium und meiner daran anschließenden Tätigkeit in der Fort- und Weiterbildung nach einem neuen Aufgabengebiet gesucht habe, fand ich die Stellenanzeige der Sozialstation für eine Pflegepädagogin auch eher ungewöhnlich. Aber ich wollte auch genau etwas sehr Abwechslungsreiches und Praxisnahes. Da sich nicht nur die Pflegeschulen, sondern auch die Einrichtungen gerade auf die neue generalistische Pflegeausbildung vorbereiten mussten, suchte die Sozialstation jemanden, der dies für die Gesamteinrichtung in die Hand nimmt und koordiniert. Dadurch hat sich sehr schnell mein Tätigkeitsfeld erschlossen. Diese Stelle ist auf jeden Fall sinnvoll, gerade in so einer großen Einrichtung wie der Sozialstation mit ihren vielen Standorten und Mitarbeitern.


Was sind Deine Aufgaben als Pflegepädagogin bei der Ökumenischen Sozialstation Ludwigshafen?

Ich bin zuständig für die Gesamtkoordination der Ausbildung. Das fängt an mit der Bearbeitung der Bewerbungen, der Auswahl der Auszubildenden und ihrer Einführung in unsere Einrichtung. Ich bin zentrale Ansprechpartnerin für alle Auszubildenden, Praxisanleiter und Mitarbeiter für alles, was mit der Ausbildung zusammenhängt.
Als Schnittstelle zum Träger der theoretischen Ausbildung bin ich dazu auch im engen Kontakt mit der Pflegeschule und nehme an gemeinsamen Konferenzen und Treffen der Praxisanleiter teil. Während ihrer Einsätze begleite ich alle Schüler durch Gespräche und natürlich führe ich auch selbst Praxisanleitungen durch und nehme an Praxisbesuchen der Schulen teil. Für unsere Praxisanleiter und Auszubildenden initiiere ich Treffen, um einen regelmäßigen und intensiven Austausch zu gewährleisten.
Parallel dazu begleite ich natürlich auch unsere Schüler, die jetzt in der Übergangszeit noch nach dem bisherigen Altenpflegegesetz ihre Ausbildung zum Altenpfleger / zur Altenpflegerin absolvieren und unterstütze zum Beispiel auch bei der Examensvorbereitung. Auch für die vielen externen Schüler, welche ihren Außeneinsatz in der ambulanten Pflege bei uns absolvieren, koordiniere und begleite ich die Einsätze und fungiere als erste Ansprechpartnerin.
Vor Beginn der neuen generalistischen Pflegeausbildung mussten für die gesamte Einrichtung erst entsprechende Konzepte erarbeitet und sämtliche bisherige Formulare überarbeitet oder auch neu konzipiert werden. Auch diese konzeptionelle Arbeit wurde von mir übernommen.


Seit 2020 gibt es die generalistische Pflegeausbildung. Was hat sich da im Vergleich zur bisherigen Ausbildung geändert und was bedeutet das für die Auszubildenden und die Einrichtungen?

Es hat sich sehr viel geändert. Wie bisher auch haben die Auszubildenden einen Wechsel von Schulblöcken und verschiedenen Praxiseinsätzen. Mittlerweile sind die Praxiseinsätze aufgegliedert in einen Orientierungseinsatz, mehrere Pflichteinsätze, einen Vertiefungseinsatz und Wahleinsätze. Bei den Pflichteinsätzen ist genau vorgegeben, welche Stundenzahl zum Beispiel im Heim, im Krankenhaus, in der Pädiatrie oder in der Psychiatrie zu erbringen ist. Durch die generalistische Ausbildung werden die Auszubildenden befähigt, später in allen Bereichen der Pflege zu arbeiten. Dadurch hat sich der Anteil der Außeneinsätze deutlich erhöht, so dass die Schüler weniger Zeit in der eigenen Ausbildungseinrichtung verbringen als bisher, sie sind also mehr „unterwegs“. Dadurch erhalten sie mehr Einblicke in viele verschiedene Fachrichtungen.
Außerdem nimmt die Praxisanleitung jetzt viel mehr Raum ein. Der Umfang der Anleitung ist genau vorgegeben und muss strukturiert stattfinden und auch nachgewiesen werden. Durch diese intensivere Betreuung wird die gesamte Pflegeausbildung natürlich auch deutlich aufgewertet. Bei der bisherigen Pflegeausbildung wurde von den Auszubildenden oft bemängelt, dass sie sich in der Praxis alleine gelassen fühlten oder nicht genug Anleitung erfahren haben. Und das hat sich jetzt deutlich verbessert. Das ist für die Schüler ein extremer Vorteil. Sie wissen, sie haben beispielsweise bei einem Einsatz von 400 Stunden 40 Stunden Praxisanleitung, und in dieser Zeit werden sie dann auch strukturiert durch den Praxisanleiter angeleitet.
Für die Einrichtungen ist das natürlich organisatorisch deutlich mehr Aufwand als früher. Die Schüler können nicht mehr einfach bei irgendeiner Pflegefachkraft „mitlaufen“, sondern werden fest einem Praxisanleiter zugeteilt. Dies hat zur Folge, dass die Einrichtungen vermehrt Praxisanleiter ausbilden  und diese auch für die Anleitungszeiten freistellen müssen. Das stärkt auch noch einmal die Wichtigkeit der Praxisanleiter.


Warum lohnt sich die Ausbildung zum Pflegefachmann oder zur Pflegefachfrau für einen jungen Menschen heutzutage?

Das ist eine gute Frage. Eine Pflegeausbildung lohnt sich immer! Da denke ich zunächst an meine eigene Ausbildung zurück. Die Pflege hatte auch damals schon, von außen betrachtet, ein eher negatives Image. Aber man sieht diesen Beruf ganz anders, wenn man die Ausbildung selbst erlebt oder selbst in der Pflege gearbeitet hat. Meiner Meinung nach ist die Pflege ein extrem abwechslungsreicher Beruf, das ist wirklich besonders. Man kann etwas Gutes tun, und man bekommt auch viel zurück von den Menschen. Es gibt unglaublich viele Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten, das Feld ist breit gefächert. Ich finde sehr wichtig, dass die jungen Menschen wissen, dass sie am Ende ihrer Ausbildung nicht am Ende ihrer beruflichen Entwicklung angekommen sind. Sie können beispielsweise die Fachrichtung wechseln, in die Schüleranleitung gehen oder eine Fachweiterbildung machen, sie können eine Führungsposition einnehmen und vieles mehr. Die Pflege bringt unglaublich viele Chancen und Möglichkeiten mit sich. Und es wird nie langweilig, das ist immer spannend und interessant.
Außerdem ist eine Ausbildung in der Pflege für die Persönlichkeit wahnsinnig bedeutsam. Da findet eine enorme Entwicklung statt, das habe ich selbst so erlebt. Das hat viel mit der Tätigkeit zu tun: die Arbeit mit Menschen, das Einstehen füreinander, das Klarkommen und sich Positionieren im Team und vieles mehr.
Wenig bekannt ist auch, dass die Ausbildungsvergütung in der Pflege für einen Ausbildungsberuf sehr gut ist. Zurzeit sind das bei uns im ersten Lehrjahr 1.140,69 €. Die Ausbildungsvergütung steigert sich dann bis zum dritten Lehrjahr auf 1.303,38 €.
Außerdem ist die Pflegeausbildung auch eine gute Möglichkeit für Menschen, die sich zu einem späteren Zeitpunkt ihres Lebens noch einmal neu orientieren möchten. Das geht auch mit 30, 40 oder 50 Jahren noch und  klappt auch sehr oft sehr gut. Viele Menschen finden in der Pflege als zweiten oder sogar dritten Ausbildungsweg sozusagen ihre „Bestimmung“ und blühen beruflich gesehen noch einmal richtig auf.


Welche Voraussetzungen und Eigenschaften braucht denn ein Bewerber, um hier die Ausbildung beginnen zu können?

Wer die dreijährige generalistische Pflegeausbildung machen möchte, braucht einen qualifizierten Sekundarabschluss, also den mittleren Schulabschluss oder einen gleichwertigen Bildungsabschluss. Außerdem zugelassen werden Personen mit einem Hauptschulabschluss und abgeschlossener Berufsausbildung von mindestens zweijähriger Dauer.
Wer das Abitur oder Fachabitur hat, hat zusätzlich die Möglichkeit, Pflege dual zu studieren. Das Pflegestudium ist ausbildungsbegleitend angelegt und dauert in der Regel 8 Semester.
Natürlich schauen wir bei der Bearbeitung von Bewerbungen in bestimmten Fächern auch auf die Noten und auf den Notendurchschnitt insgesamt, denn es ist schon wichtig, dass ein gewisses Lernniveau vorhanden ist, weil die theoretische Ausbildung schon sehr anspruchsvoll ist. Aber ausschlaggebend beim Bewerbungsgespräch ist der Mensch, der vor mir sitzt. Wichtig für diesen Beruf sind vor allem Empathie, Zuverlässigkeit, Hilfsbereitschaft und Höflichkeit. Aber auch Ehrlichkeit, Offenheit, Dinge ansprechen zu können, Teamfähigkeit und Flexibilität.


Zum 01.08.2020 haben in der Ökumenischen Sozialstation Ludwigshafen drei neue Auszubildende die generalistische Pflegeausbildung begonnen. Was wünschst Du Dir für sie?

Ich wünsche ihnen, dass sie alle mit viel Freude und Engagement durch die Ausbildung kommen und ihre Motivation, mit der sie gestartet sind, durch die ganze Zeit beibehalten können. Dass sie immer wissen, an wen sie sich wenden können und an Herausforderungen wachsen. Das wünsche ich mir besonders auch für ihre Außeneinsätze in den anderen Einrichtungen. Um sie da zu begleiten, werde ich auch dort den Kontakt zu ihnen halten. Sie sollen immer wissen, dass es jemanden gibt, dem sie wichtig sind.


Vielen Dank für das Interview!

Das Interview führte Anette Rollersbroich